Dr. med. Albrecht Gittinger
Arzt für Innere Medizin - KARDIOLOGIE
Wo gibt es verlässliche Informationen
Herz- Kreislauferkrankungen
Medikamente
Nicht-medikamentöse Behandlungsverfahren
Diagnostische Verfahren, Möglichkeiten und Grenzen
Psychotherapie
Weitere Themen
Frage: Zur Behandlung meines Typ II-Diabetes nehme ich neben Metformin jetzt Sitagliptin (Januvia). Stimmt es, dass Sitagliptin keine Vorteile für das Herz-Kreislaufsystem hat?

Antwort: Wir suchen dringend Medikamente, mit denen sich die Blutzuckerführung bei Typ-II Diabetikern bessern lässt und die gleichzeitig  eine günstige Wirkung auf den Verlauf der Atherosklose haben. 
Das beste Beispiel für ein solches Medikament ist Metformin (z.B. UKPDS-Studie). Es bessert die Zuckerstoffwechselführung und reduziert die Zahl der künftigen Herzinfarkte und Herztodesfälle.
Die von Ihnen genannten Gliptine (bei uns in Deutschland gebräuchlich sind z.B. Sitagliptin und Saxagliptin) haben keine Auswirkungen auf den Verlauf der Atherosklerose, das haben mehrere neue Studien gezeigt, die auf dem ESC-Kongress in Amsterdam im September 13 vorgestellt wurden.
Sie können nun sagen: Schade, kein Zusatznutzen. Sie können aber auch sagen: Na ja, wenigstens schadet es den Gefäßen nicht.
Entscheidend für die Behandlung des Blutzuckers bei Typ-II Diabetikern ist neben einer guten Stoffwechselführung die Vermeidung von Unterzuckerungen. Dieses Problem haben wir lange unterschätzt. Deshalb gehen die Leitlinien auch von dem "je niedriger, desto besser" weg und propagieren die Strategie: "So niedrig, wie es ohne Unterzuckerungen möglich ist", und das ist bekanntlich individuell sehr verschieden. So kann beim Einen ein HbA1c von 6,5% realistisch sein, bei einem anderen aber nur ein Zielwert von 7,4% . 
(05.10.2013)



Frage: Stimmt es, dass Statine die Bildung von Coenzym Q10  im Körper hemmen und stimmt es, dass sie deshalb nicht günstig sind für Patienten mit Herzschwäche, weil Q10 für die Energielieferung zum Herzmuskel entscheidend ist?

Antwort: Der erste Teil Ihrer Frage ist zu bejahen. Die Bildung von Q10 wird durch Statine gehemmt. Die Bedeutung dieses Effekts ist unklar.
Der zweite Teil ist zu verneinen. Wenn Sie einigermaßen Englisch können, finden Sie eine Übersicht über das Thema Herzschwäche und Statine hier:

Experimental and Clinical Basis for the Use of Statins in Patients With Ischemic and Nonischemic Cardiomyopathy (JACC 2008; 51,4)

In Kurzform zusammengefasst: Wenn man alle Studien nimmt, senkt die Einnahme von Statinen die Sterblichkeit von Patienten  mit schwerer Herzschwäche um etwa ein Viertel. Eine wichtige Ausnahme machte die große CORONA-Studie, in der  die Einnahme eines Statins keinen Vorteil brachte. Die Ursache dafür ist unklar.
(14.07.2013)


Frage: Ich habe gehört, dass es zum Coenzym Q10 (Einzelheiten zum Q10 z.B. in Wikipedia) eine wichtige neue Studie bei Patienten mit Herzschwäche gibt. Stimmt das?

Antwort:
Ja, es ist die Q-Symbio-Studie, präsentiert beim Heart-Failure-Kongress der ESC im Frühjahr 2013. Die Studie ist noch nicht schriftlich veröffentlicht. Es ist eine kleine Studie, 200 Patienten in beiden Armen, aufgenommen wurden Patienten mit ernster Herzschwäche, durchschnittliche Auswurffraktion der linken Herzkammer 31%, und die Daten sind erstaunlich: Z.B. sind in der Q10-Gruppe (täglich 3x100 mg)  fast nur halb so viele Patienten im Berichtszeitraum gestorben, wie in der Kontrollgruppe.
ABER: Wir haben noch keine genauen Daten, was da eigentlich mit was verglichen wurde. Bevor diese vorliegen bin ich sehr zurückhaltend. Die ganze Q10-Debatte ist sehr ideologisch geführt worden, es kursieren sogar Verschwörungstheorien, die behaupten, so etwas wie eine Mafia der Q10-Gegner würde den breiten Einsatz dieses Nahrungsergänzungsmittels verhindern.
Im Grunde ist es so ein Ergebnis der Sorte "zu schön um wahr zu sein": Halbierung der Sterblichkeit an einer schweren Krankheit durch eine billige, nebenwirkungsfreie Nahrungsergänzung.
 Wahrscheinlich wird es so laufen: Wir werden eine Wiederholung dieser Studie bekommen, diesmal in großem Maßstab, also mit mehreren tausend Patienten. Und dann werden wir wissen, was "dran" ist. Soll ich einen Tipp wagen? Das Ergebnis wird sich nicht wiederholen  lassen.
(14.07.2013)


Frage: Ich habe gelesen, dass Viagra in Kürze aus dem Patentschutz fällt und dann wesentlich billiger werden wird. Ist Viagra für Herzpatienten "sicher"?
Antwort: Viagra mit Nitraten zu kombinieren ist bekanntlich gefährlich, weil es dann zu Blutdruckabfällen kommen kann.  Die anderen gefährlichen Nebenwirkungen sind selten (siehe den guten Wikipedia-Artikel zu Sildenafil, das ist der Viagra-Wirkstoff)
. Mir selbst ist in den Jahren, seit Viagra genutzt wird, aus  meinem Gesichtskreis kein Todesfall, Herzinfarkt oder Schlaganfall im Zusammenhang mit Viagra gemeldet worden. Noch etwas kann man sagen: Viagra wird seit über 10 Jahren weltweit häufig eingenommen. Wenn es wirklich eine bedeutsame Gefährlichkeit gäbe, wäre diese bekannt geworden.
(20.05.2013)


Frage: Wegen einer Tuberkulose-Erkrankung muss ich über längere Zeit das Antibioticum Rifampicin nehmen. Im Beipackzettel steht, dass die Wirkung des Simvastatin, welches ich seit einem Herzinfarkt einnehme,  durch Rifampicin vermindert wird. Stimmt das? Ist das von Bedeutung?

Antwort: Sie sprechen ein wichtiges Thema an. Simvastatin wird über das 3A4-System der CYP 450 durch die Leber aus dem Körper entfernt. Dieses System kann gehemmt werden (zum Beispiel durch gewisse pilzhemmmende Medikamente aus der Gruppe der Miconazole), aber es kann auch verstärkt werden, zum Beispiel durch Rifampiciin.
In Ihrem Falle führt das dazu, dass Simvastatin schneller aus dem Körper entfernt wird, die Wirkung schwächt sich ab.
Was tun? Sehr einfach: Simvastatin weiter nehmen, nach 6 Wochen und 3 Monaten die Cholesterinwerte kontrollieren. Wenn sie von Simvastatin gemeinsam mit Rifampicin nicht mehr genug abgesenkt werden auf Atorvastatin wechseln, beginnend mit 10 mg. Dann weiteres Vorgehen nach Kontrollen.
(18.08.2012)


Frage: Stimmt es, dass es in vielen Feldern der Kardiologie medikamentös nicht mehr viel Neues zu erwarten gibt?

Antwort:  Das  ist eine hochinteressante Frage, und tatsächlich ist da in mancher Hinsicht etwas "dran":
1- Im Bereich der ß-Blocker wird sich nicht mehr viel Neues tun.
2- Auf dem Feld ACE-Hemmer, AT1-Antagonisten, Aliskiren erwarte ich ebenfalls nichts Neues mehr.
3- Gleiches gilt wohl für die Aldosteronantagonisten (Spironolacton/Epleronon).
4- Auch auf dem Felde der Kalziumantagonisten vom Nifedipintyp (z.B. Amlodipin) erwarte ich keine wesentlichen Neuentwicklungen mehr.
5- Die Cholesterinsenkung durch die Statine ist eine einmalige Erfolgsgeschichte, neue Entwicklungen wird es dort kaum noch geben.
6- Hoch interessante neue Entwicklungen gab es in den letzten Jahren im Bereich der Vorbeugung des Schlaganfalles bei Vorhofflimmern (niedermolekulare Heparine; Dabigatran; Rivaroxaban). Hier hat sich in der alltäglichen Anwendungspraxis der Pulverdampf noch keineswegs verzogen, da die neueren Medikamente z.T. das Problem der Einnahmekontrolle und der  Antidotgabe haben.
7- Viel Neues hat sich auch getan in der Hemmung der Funktion der Blutplättchen nach Herzinfarkt und nach Stent-Implantation (Prasugrel, zuletzt besonders Ticagrelor, jetzt Cangrelor). Ob sich die jetzt erzielten Erfolge noch steigern lassen, ohne das Blutungsrisiko zu erhöhen? Ich habe Zweifel. Die 1-Jahres-Sterblichkeit nach Krankenhausbehandlung eines Herzinfarktes liegt jetzt bei 4%- gegenüber ca. 18% vor 20 Jahren.
Insofern: Tatsächlich, wir haben viel erreicht, und es wird
für Neuankömmlinge immer schwerer,  noch einen Zusatznutzen zu belegen.
Bahnbrechende Neuigkeiten wird es in den nächsten Jahren vielleicht in der LDL-Cholesterinsenkung geben. Großen Studien laufen zum Teil noch, einige verliefen überraschend enttäuschend (Daltectrapib, Nikotinsäure), für Anacetrapib und Ezetrol stehen Ergebnisse noch aus, man wird sehen. Bisher sind dort die Statine das Maß aller Dinge und werden es bleiben, aber sie werden nicht von allen Patienten vertragen. 
Wirkliche Fortschritte in der Kardiologie der letzten Jahre kamen aus dem Bereich der Technik (Bildgebung durch CT und MR, Aortenklappenersatz von der Leiste aus, neue Stents, medikamentenbeschichtete Ballonkatheter, künftig vielleicht Fernüberwachung durch Telemetrie).
(04.07.2012, Update 20.05.2013)


Frage: Ich habe gelesen, dass bei einer starken Absenkung des LDL-Cholesterin die Atherosklerose rückläufig ist. Stimmt das?

Antwort: Grundsätzlich ja.
Erst jüngst wurde eine Studie veröffentlicht (Saturn-Study, 12/2011), in der bei Patienten 2  Jahre lang mit Atorvastatin oder Rosuvastatin in der jeweils höchsten Dosis das LDL abgesenkt wurde. Erreicht wurden Zielwerte für LDL zwischen 60 und 70 mg/dl. Und tatsächlich: Mit einer komplizierten Untersuchung mittels Ultraschall im Blutgefäß wurde gezeigt, dass bei vielen Patienten die Ablagerungen in den Gefäßen kleiner wurden.
Das ist ein sehr starker Hinweis darauf, dass die Atherosklerose der Herzkranzgefäße tatsächlich keine Einbahnstraße ist. Der LDL-Schwellenwert scheint bei etwa 70 mg/dl zu liegen bei Absenkung durch Statine.
Ich wage  eine Prognose: In den entwickelten Ländern wird die Verfettung und Verengung der Blutgefäße im 21. Jahrhundert als eine heilbare oder zumindest vermeidbare  Erkrankung gelten. Dem entgegen steht allerdings die vielfältige Unvernunft: Rauchen, Übergewicht mit der Folge Diabetes und Bluthochdruck etc.. Deshalb wird die Atherosklerose ein Massenkiller bleiben. Aber im Prinzip ist diese Erkrankung heute heilbar oder verhinderbar.
(22.05.2012; Update 20.05.2013)

 
Frage: Ich bin junger Infarktpatient. Bei mir ist das HDL-Cholesterin  mit 25 mg/dl sehr niedrig. Nun habe ich gehört, dass es erneut einen Rückschlag gegeben hat bei dem Versuch, das HDL medikamentös zu steigern. Stimmt das?

Antwort: Sie stellen eine sehr wichtige und weit reichende Frage. Die Antwort ist nicht leicht, ich möchte versuchen eine kurze und doch verständliche Antwort zu geben:

Das Cholesterin ist ein lebenswichtiger Baustoff unseres Körpers. Es wird von der  Leber zu den Organen trasportiert mit dem LDL, das ist sozusagen der Nachschubweg. Der Rücktransport von überschüssigem Cholesterin erfolgt mit Hilfe des HDL.
Gut für die Patienten ist nach diesem Modell: Wenig Nachschub, gut organisierter Rücktransport, also LDL niedrig, HDL hoch.

Das LDL lässt sich auf verschiedene Weise medikamentös senken, am besten mit den Statinen.
Das HDL lässt sich auf verschiedene Weise medikamentös steigern. Nur: Bisher hat keine dieser Maßnahmen gezeigt, dass  die Patienten davon profitieren. Das ist der Sinn Ihrer Frage.
In letzter Zeit gab es in der Tat erneut einige spektakuläre Rückschläge:
- Nikotinsäure war nach älteren kleineren Studien sehr viel versprechend, aber in der ersten wirklich großen Studie (AIM-HIGH) steigerte Nikotinsäure zwar das  HDL, die Patienten profitierten davon jedoch nicht.
- Daltetrapib und Torcetrapib steigern das HDL eindrucksvoll, auch hier profitieren die Patienten nicht.

Woran liegt das?
Ein mögliche Antwort liegt darin, dass das HDL ein sehr komplexes Teilchen ist, kompliziert zusammengesetzt. Was wir  im Labor als HDL messen ist eine Mischung aus verschiedenen HDL-Untergruppen. Es könnte sein, dass wir das HDL zwar global steigern können, aber vielleicht die falsche Untergruppe fördern.
Es gibt aber eine zweite, beunruhigende Möglichkeit: Vielleicht ist das niedrige HDL gar kein ursächlicher Faktor für das Risiko, sondern nur ein Anzeiger, dann würde die HDL-Steigerung gar nichts bringen, solange die Grunderkrankung (z.B. Diabetes) wirkt. Für diese Möglichkeit sprechen neuere genetische Untersuchungen. Demnach scheint ein angeboren niedriges HDL gar nicht mit einer schlechten Prognose einher zu gehen.
Fazit:
Zur Zeit ist der einzig sichere Weg eine LDL-Senkung mit Statinen,  bei Hochrisikopatienten wenn möglich auf unter 70 mg/dl.
Für die medikamentöse Steigerung des HDL gibt es zur Zeit keine gesicherte Indikation.
(11.05.2012; Update 04.09.2012 und 20.05.2013)

Update 23.12.2012:
Nun hat eine erneute große Studie (HPS2-THRIVE mit immerhn über 25000 Patienten) offenbar gezeigt, dass Nikotinsäure in Kombination mit einem Statin die Ereignisrate an atherosklerotischen Komplikationen (Herzinfarkt, Schlaganfall) nicht besser senkt, als ein Statin allein, dabei aber mehr Nebenwirkungen hervorruft. Die europäische Arzneimittelaufsichtsbehörde EMA hat daher geraten, keine neuen Patienten mehr auf Nikotinsäure einzustellen. Einzelheiten zu den Daten stehen noch aus.
Dieses Ergebnis ist um so bemerkenswerter, als Nikotinsäure nicht nur das HDL steigert, sondern auch das LDL senkt und die Triglyceride und das Lp(a) senkt. Es gilt nach diesem Ergebnis mehr denn je der Grundsatz: Die Statine sind der Eckstein der Lipidtherapie. 


Frage: Ist Rasilez (Wirkstoff Aliskiren) "out"?
Antwort: Aliskiren wirkt auf das gleiche System, wie die ACE-Hemmer (z.B. Ramipril) und die AT1-Antagonisten (z.B. Losartan, Valsartan etc.). Bislang gibt es zu Aliskiren keine großen Endpunktstudien, zu den ACE-Hemmern und AT1-Antagonisten hingegen schon.
Ich würde zur Zeit so sagen: Es gibt nur sehr wenige Patienten, denen ich Aliskiren verschreiben würde. Und zwar denen, die auch die AT1-Antagonisten z.B. wegen Hustens nicht vertragen.
Die Kombination ACE-Hemmer oder AT1-Antagonist mit Aliskiren hat sich in einer Studie bei Diabetikern  nicht bewährt.
(23.04.2012; Update 04.09.2012, 20.05.2013)


Frage: Der Patentschutz von Sortis (Wirkstoff: Atorvastatin) ist abgelaufen, damit ist Atorvastatin erstattungsfähig. Ich nehme seit Jahren Simvastatin 40 mg. Soll ich wechseln? 
Antwort: Ihre Serum-LDL-Cholesterinwerte unter Simvastatin 40 mg kenne ich nicht. Drei Gründe könnten für einen Wechsel sprechen:
1. Wenn Sie mit Simvastatin keine ausreichende Senkung des LDL erreichen würde ich wechseln.
2. Wenn Sie weitere Medikamente einnehmen,  die mit dem Simvastatin-Stoffwechsel in der Leber konkurrieren (sog. 3A4-System der CYP 450, über das Simvastatin aus dem Körper entfernt wird).
3. Wenn für Sie die notwendige abendliche Einnahme des Simvastatin ein Problem ist.
Rein von der Studienlage her gesehen sind Simvastatin und Atorvastatin gleichermaßen hervorragend dokumentiert.
(23.04.2012)


Frage: Als Alternative zu Phenprocoumon steht bei Vorhoffllimmern jetzt neben Pradaxa (Substanz Dabigatran) in Deutschland auch Xarelto (Substanz Rivaroxaban) zur Verfügung. Verdient eine der beiden Substanzen Vorzug?

Antwort:   Die beiden maßgeblichen Studien (Re-Ly für Dabigatran und Rocket-HF für Rivaroxaban) sind nicht direkt vergleichbar, da unterschiedliche Patientengruppen eingeschlossen waren. Ein wissenschaftlicher Vergleich fällt daher schwer.
Ich selbst tendiere zur Zeit zu Rivaroxaban. Dies aus drei Gründen:
1. Rivaroxaban wird nur einmal täglich eingenommen.
2. Bei Blutungen ist bei Rivaroxaban eine  Gegenmaßnahme zumindest in Sicht (sog. PCC, d.h. Prothrombin-Complex-Concentrate). Erste Untersuchungen an menschlichen Probanden sind vielversprechend.
3. Eine Gerinnungskontrolle zur Beobachtung der Wirkung ist in Vorbereitung (Rivaroxaban-standardisierter PTT).
Aber bitte: Das alles steht bislang auf dünnen Beinen. Wir werden in den nächsten Monaten und Jahren viel zu lernen haben.
Bisher ist eines klar erkennbar: Für die Breite der PatientInnen bleibt Phenprocoumon durch die Verordnungspraxis der Ärzte  eindeutig zur Zeit der bewährte Standard, weil sich die Einnahme beobachten lässt und weil sich kontrollieren sst, was im Körper tatsächlich geschieht.
(03.01.2012, Update 20.05.2013)


Frage: Wegen Vorhofflimmerns bei Bluthochdruck und Diabetes mellitus nehme ich (74 Jahre alt) seit Jahren Phenprocoumon, um einem Schlaganfall vorzubeugen. Leider sind meine INR-(Gerinnungs-)Werte schwankend. Nun wurde ich bei meinem Hausarzt vorstellig, ich möchte jetzt Dabigatran (Pradaxa) nehmen. Mein Hausarzt möchte das nicht verschreiben, was soll ich tun?

Antwort:  Ich verstehe Sie beide. Die RE-LY-Daten zu Dabigatran sind überzeugend.
Aber: Entscheidend ist für mich, ob es von den Patienten, denen es verschrieben wird, auch eingenommen wird. Bei Phenprocoumon hatten Sie die Gerinnungskontrolle und damit  die Rückmeldung, ob Sie es verlässlich genommen haben. Bei Dabigatran gibt es diese "Kontrolle" nicht.
Nun gibt es Vergleiche: Bei Zustand nach  Stent nehmen etwa 70% der Patienten im ersten Jahr die verschriebenen Medikamente, 50% im zweiten Jahr, dann bröckelt es weiter.
Es ist aus meiner Sicht zu befürchten, dass es bei Dabigatran nicht anders sein wird, nur wissen wir es dann nicht.  Ein Kollege brachte es so auf den Punkt: "Wir tauschen ein bekanntes Unwesen (Phenpro) gegen ein unbekanntes Wesen (Dabigatran)".
Warum Ihre Gerinnungswerte schwanken weiß ich natürlich nicht. Rein statistisch ist die wahrscheinlichste Ursache eine nicht ganz regelmäßige Einnahme.
(01.12.2011)


Frage: Zur Behandlung des Bluthochdrucks nehme ich folgende Medikammentenkombination:
HCT 12,5 mg.
Amlodipin 5 mg.
Ramipril 10 mg.
Olmesatan (Votum) 20 mg.
Nun entnehme ich einem Vortrag der Herzstiftung, die Kombination Ramipril mit einem AT1-Antagonisten (in meinem Falle Votum) sei ungünstig. Stimmt das?
Update 21.03.2012: Daten, die ein anderes Medikament betreffen, nämlich Aliskiren (Rasilez) lassen die Kombination zweier Hemmstoffe des RAS-Systems (dazu gehören neben den ACE-Hemmern die AT1-Antagonisten und Aliskiren) als eher nicht empfehlenswert erscheinen. Allerdings ging es in dieser neuen Studie nicht zentral um die Behandlung von Hochdruckpatienten, sondern um Diabetiker mit Nierenfunktionsseinschränkungen. 
Antwort: Ungünstig war die Kombination Ramipril/Telmisartan (sehr ähnlich wie Votum) in der ONTARGET-Studie. Aber: Dort wurden Menschen untersucht, die gar keinen Bluthochdruck hatten, sondern andere Risikofaktoren. Bei denen wurde von der genannten Kombination der Blutdruck zu stark abgesenkt. Sie aber wollen ja genau das, den Blutdruck senken.
Die von Ihnen genannte Kombination ist deshalb nicht üblich, weil Ramipril und die AT1-Antagonisten sehr ähnlich wirken und dadurch kein so sehr großer zusätzlicher Effekt auf die Blutdrucksenkung zu erwarten ist. Eigentliche Nachteile haben Sie nicht zu befürchten. Sie schießen nur zweimal sozusagen auf den gleichen Hasen.
(01.12.2011, Update 20.05.2013)


Frage: Ich habe gelesen, für Patienten mit Vorhofflimmern und Risiko zum embolischen Schlaganfall gibt es jetzt eine Alternative zu  Phenprocoumon (Marcumar). Stimmt das?

(Update 05.11.2011)
Inzwischen ist Dabigatran (Handelsname Pradaxa) für die Indikation "Vorhofflimmern mit Schlaganfallrisiko" zugelassen, es gibt jetzt Erfahrungen an mehr Patienten im Alltag. Nun geht durch die Presse, es habe etwa 250 Todesfälle unter Pradaxa gegeben, meist durch schwere Blutungen.
Dazu ist folgendes zu sagen:
1. Es fehlen für Dabigatran (Pradaxa) naturgemäß Langzeiterfahrungen.
2. Es gibt unter Dabigatran keine einfach zu handhabende Gerinnungskontrolle, d.h. wie stark das Medikament bei einem bestimmten Patienten wirkt, lässt sich nicht so einfach bestimmen. Bei den Blutungspatienten handelte es sich vielfach um Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion, wodurch die Gerinnung stärker gehemmt wurde als erwartet. 
3. Es gibt für Dabigatran kein Antidot, d.h. die Wirkung lässt sich nicht aufheben. 
4. Fairerweise muss man festhalten: Ja, es gab diese Todesfälle (bei inzwischen etlichen 100.000 Patienten, die es nehmen). Aber im gleichen Zeitraum hat Dabigatran unter diesen Patienten auch viele Leben gerettet, nur wissen die "Geretteten" natürlich nicht, dass sie ohne Dabigatran am Schlaganfall gestorben wären.  Insofern ist eine solche Debatte um "Dabigatran-Todesfälle" immer schief, da nur die Katastrophen bekannt werden, die Geretteten aber verborgen bleiben.
Erst die nächsten Monate und Jahre werden zeigen, welchen Stellenwert Dabigatran und die anderen neuen Substanzen (Apixaban, Rivaroxaban) langfristig in der Behandlung erreichen werden.

(Update 05.09.2011)
Inzwischen ist mit Apixaban ein weiterer Wirkstoff bei Vorhofflimmern in Studien geprüft worden (AVVEROES und ARISTOTEL), zunächst diesmal bei Patienten, die kein Marcumar bekommen konnten, sondern ASS bei Vorhofflimmern bekamen. Die Schlaganfallrate hat sich darunter halbiert, die absoluten Zahlen waren etwa so gut wie bei Dabigatran.
Ferner ist mit Rivaroxaban ein weiterer Wirkstoff geprüft (ROKET-AF). Ähnliche, nicht aber direkt vergleichbare Daten, da die untersuchten Patienten nicht direkt vergleichbar sind.


Antwort: Ja, das stimmt erfreulicherweise.
Auf dem ESC-Kongress 31.08.09 - 02.09.09 in Barcelona wurde die RE-LY-Studie veröffentlicht.
Bei immerhin 18.000 Patienten mit Vorhofflimmern und einem weiteren Schlganfall-Risikofaktor wurde die Behandlung mit Warfarin (ist ähnlich dem bei uns üblichen Procoumon) mit dem neuen Gerinnungshemmer Dabigatran verglichen.
Die Schlaganfallrate war unter Dabiatran mit 1,1% vs. 1,7  niedriger als unter Warfarin (entspr. Phenprocoumon), die Blutungsrate war in der höheren Dosierung etwa gleich.
Konsequenz: Ich würde als Betroffener -sofern es bei mir stabil läuft-  jetzt keineswegs unbedingt sofort zu Dabigatran wechseln, sondern erst weitere Erfahrungen mit der neuen Behandlung abwarten.
Ein Wechsel kommt jedoch dann in Betracht, wenn es mit Phenprocoumon (Marcumar) Probleme gab, z.B. mit stark schwankenden Gerinnungswerten oder wenn ich Medikamente einnehmen muss, die mit dem Stoffwechsel von Phenprocoumon  in Wechselwirkung treten. Einen guten Kommentar dazu finden Sie hier:
(NEJM 2009; doi: 10.1056/NEJMe0906886)
.
(04.09.09)


Frage:
Ich leide unter anfallsweisem Vorhofflimmern und nehme mit gutem Erfolg Amiodarone ein, vertrage es auch akzeptabel, nehme Lichtschutzfaktor 50 und trage lange Ärmel etc, komme damit auch seitens der Haut zurecht.
Jetzt gibt es ja Dronedarone (Multaq). Soll ich wegen der besseren Verträglichkieit wechseln?

Antwort: Eindeutig nicht wechseln. Dronedarone bietet eine bessere Verträglichkeit bei deutlich schwächerer Wirksamkeit. Außerdem gibt es wichtige Einschränkungen der Anwendung von Dronedcarone.
Dronedarone hat in der Kürze der  Zeit  eine sehr wechselvolle Studiengeschichte hinter sich gebracht.  Mir ist bis heute nicht ganz klar, wie sich die entscheidend wichtige Nutzen-Risiko-Relation bei Dronedarone darstellt. Zwei wichtige Studien zu Dronedarone, Athena und Pallas, haben sehr unterschiedliche Ergebnisse gezeigt. In den Leitlinien hat Dronedarone einen Platz bei Patienten mit anfallsweisem Vorhoffllimmern mit guter Herzkammerfunktion.
In der  alltäglichen Verschreibungspraxis ist Dronedarone trotz der Erwähnung in den Leitlinien eher ein Nischenpräparat geblieben.
(10.09.2012, Update 20.05.2013)




Frage:
Zur Behandlung des Bluthochdrucks nehme ich Candesartan. Stimmt es, dass die Sartane (Synonyme: ARBs, AT1-Antagonisten) mit einem erhöhten Krebsrisiko in Verbindung gebracht werden?

Antwort:  Zumindest in zwei Studien (CHARM und ONTARGET) konnte ein eher leichter statistischer Zusammenhang in dieser Richtung gefunden werden, eine gemeinsame Analyse 5 großer Studien erschien in Lancet Oncolocy 2010. Seitdem wogt die Debatte.
ABER: Bisher ist nicht geklärt, ob dieser Zusammenhang wesentliche Bedeutung hat. Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft gibt einen Überblick über die Diskussion:
(www.akdae.de/Stellungnahmen/Weitere/20100802.pdf-).
Die amerikanischee Arzneibehörte FDA schreibt auf ihrer Infoseite am 02.06.2011:
"Based on our review and analysis of all currently available data regarding this potential safety signal, FDA has concluded that treatment with an ARB medication does not increase the risk of cancer.
"
Bisher also: Unverändert weitermachen.
Sobald es hier etwas neues gibt werde ich berichten. Da die Sartane außerordentlich häufig genommen werden, kann der Patient sicher sein, dass auch leichte statistische Zusammenhänge sichtbar werden.

(20.06.2011; Update 20.05.2013)



Frage:  Hat Pioglitazon (Actos) in der Diabetestherapie noch einen Platz?

Update: Die europäische Arzneimittelausichtsbehörde EMA hat Pioglitazon (Actos) einer Beurteilung unterzogen. Hier das m.E. kluge Fazit:
Considering the risks associated with pioglitazone and its benefits to some patients, the CHMP concluded that the benefits outweigh the risks in those patients responding well to pioglitazone. Prescribers are advised to carefully select patients and monitor how they respond to treatment.
 
Also: Pioglitazon hat in der Behandlung bei manchen Patienten einen  Platz, nämich denen, die gut darauf ansprechen und die wichtigen Nebenwirkungen nicht zeigen. Patienten mit einem erhöhten Risiko für Blasenkrebs (das sind vor allem Raucher) sollen unter der Behandlung mit Pioglitazon besonders sorgfältig überwacht werden, z.B. auf Blut im Urin.
Meine Meinung: Eine sinnvolle Entscheidung der Aufsichtsbehörde, die Fallzahlen des erhöhten Blasenkrebsrisikos waren nämlich klein und Pioglitazon hilft, Insulin einzusparen. Insulin aber erhöht seinerseits (wenn auch nur um einen kleinen Betrag) das Krebsrisiko.
(15.08.2011, Update 20.05.2013)

Wichtiges Update: Die französische und deutsche Aufsichtsbehörde hat heute mitgeteilt, dass die Zulassung des zweiten Glitazones neben Avandia (Rosiglitazon), nämlich Actos (Pioglitazon) ab sofort ruht wegen eines erhöhten Risikos für Blasenkrebs.
Patienten, die auf Actos oder Competact eingestellt sind, sollen diese Präparate jedoch nicht ohne Rücksprache mit ihrem Arzt absetzen.
 http://care.diabetesjournals.org/lookup/suppl/doi:10.2337/dc10-2412/-/DC1.
Damit steht für Neueinstellungen in Deutschland zur Zeit kein Glitazon mehr zur Verfügung.
(Update 10.06.2011)


Frage:
 Immer wieder lese ich über Zielwerte bei der medikamentösen Blutdrucksenkung und werde nicht richtig schlau. Was ist eigentlich das Ziel?

Antwort: Seien Sie versichert: Dieses Problem haben nicht nur Sie. In der Natur gilt: Je niedriger der Blutdruck, (meist) desto besser. Bei der Behandlung gilt das nicht.
Nach wie vor gilt der Zielwert "unter 140/90", ein "schärferer" Zielwert (etwa "unter 130/80") wird z.B. für Diabetiker immer wieder gefordert,   ist aber durch Studien nicht abgesichert. Das Problem liegt einfach hier: Wenn Sie einen Bluthochdruck "scharf" einstellen und niedrige Werte anpeilen, dann treten immer wieder auch sehr niedrige Werte auf, und das ist ungünstig. Nur bei Patienten mit Nierenerkrankungen werden "sehr niedrige" Blutdruckwerte angestrebt, etwa "unter 125/75". Aber das ist ein Sonderfall, der im Einzelnen vom Nephologen festgelegt wird.
18.05.2011


 Frage: Ich sehe neuerdings viele Kombinationspräpatate, die gegen den Bluthochdruck eingenommen werden und in einer Tablette ein Sartan, Amlodipin und eine harntreibende Komponente enthalten (Exforge, Blopress HCT, u.v.a.). Ist das sinnvoll?

Antwort: Es ist in manchen Fällen bequemer, sicher aber in vielen Fällen wesentlich teurer. Einen wirklichen Unterschied sehe ich nicht. Die Substanzen unterscheiden sich nicht.
Die grundsätzliche Kombination Sartan-Amlodipin-HCT ist sinnvoll (Studie ACCOMPLISH).
18.05.2011


Frage: Wegen Bluthochdrucks nehme ich Ramipril 10 mg und Amlodipin 10 mg, die Nebenwirkung des Amlodipin, Beinschwellung, ist mir lästig. Nun wurde mir vorgeschlagen, auf Amlodipin zu verzichten und stattdessen Ramipril plus Bisoprolol 5 mg einzunehmen. Soll ich das tun?

Antwort: Die Kombination Bisoprolol/Ramipril ist möglich, aber nicht so sehr sinnvoll, da die beiden Wirkstoffe sich nicht so gut ergänzen.
Besser wäre folgendes Vorgehen: Amlodipin nicht absetzen, sondern reduzieren, auf 5 oder sogar 2,5 mg, dazu HCT 12,5 mg. Ramipril weiter.
(22.03.2011)

 
Frage: Ich leide an einer Herzschwäche. Seit Jahren nehme ich Spironolactone ein, 12,5 mg pro Tag. Nun habe ich gelesen, Epleronone (Inspra) sei besser verträglich und genauso gut wirksam. Mein Hausarzt möchte es mir nicht verschreiben, weil es so teuer ist. Was soll ich tun?

Antwort: Spironolactone und Epoleronone   senken bei Herzschwäche das Sterberisiko, sie sind etwa gleichwertig (Studien RALES und EPHESUS). Spironolactone hat bei manchem Männern die unangenehme Nebenwirkung einer (harmlosen) Vergrößerung der Brüste. Nur wenn diese Nebenwirkung so stark auftritt, dass sie wirklich stört, würde ich auf Epleronone (Inspra) wechseln. Ihr Hausarzt hat nämlich durchaus recht. Inspra ist sehr teuer.
(29.01.2011)


 Frage:
Ich habe vor zwei Monaten einen medikamentenbeschichteten Stent bekommen, nachdem ich einen beginnenden Herzinfarkt Herzinfarkt erlitten hatte. Seitdem nehme ich Clopidogrel 75 mg und ASS 100 mg. Nun höre ich, es sei ein neuer Plättchenhemmer auf dem Markt (Ticagrelor, Handelsname Blilique), der Vorteile haben soll. Stimmt das? Soll ich wechseln?

Update:
Inzwischen herrscht Einigkeit, dass bei Patienten nach akutem Coronarsyndrom (so wie bei Ihnen) Ticagrelor gegenüber Clopidogrel einen Vorteil bietet, also etwa 4 vs. 5% Sterblichkeit im ersten Jahr. Das sehen auch die Krankenkassen so. Insofern ist  Ticagrelor wieder ein Schrittchen in die Richtige Richtung.
Mehr denn je gilt jetzt: Wir können bedeutende Fortschritte in der Behandlung der Coronaren Herzkrankheit nur noch machen, wenn wir die Vorbeugung verbessern und die Patienten mit Anzeichen des drohenden oder beginnenden Herzinfarktes schneller reagieren. Wenn ein Patient mit Infarkt lebend die Klinik erreicht, ist seine Chance, zu überleben mittlerweile sehr gut.
(05.02.2012)
Antwort:
Stimmt, in der großen Plato-Studie sind bei Ihrer Erkrankung nach einem Jahr in der Clopidogrel-Gruppe 5,4%, in der Ticagrelor-Gruppe 4,3% der Patienten gesstorben, die  Rate dedr Stentthrombosen war mit 1,2% deutlich niedriger als in der Clopidogrel-Gruppe mit 1,7%.

Ob man wechselt hängt m.E. wesentlich von folgender Frage ab: Ticagrelor muss zweimal täglich genommen werden, weil es kürzer wirkt. Wer es  mehr als einen Tag einzunehmen vergisst geht das Risiko einer Stentthrombose ein, bei Clopidogrel hält die Wirkung sehr viel länger an, da macht es nicht so viel aus, wenn es z.B. einmal einen oder zwei Tage nicht eingenommen wird.
Diese kurze Wirkdaue
r von Ticagrelor hat natürlich auch einen Vorteil: Wenn eine dringliche Operation ansteht (z.B. ein akuter Gallenwegsverschluss durch einen eingeklemmten Stein) klingt die Wirkung schneller ab und das Blutungsrisiko ist nicht so hoch.
Was würde ich selbst tun? Ich würde wechseln (weil ich von meiner Einnahmeverlässlichkeit überzeugt bin). Wechseln kann man übrigens "direkt", also ohne Übergang von einem Präparat auf das andere übergehen.
(14.01.2011)



Frage: Gibt es zwischen den verschiedenen ß-Blockern wirklich bedeutsame Unterschiede, oder ist das mehr oder weniger alles dasselbe?

Antwort: Es gibt Medikamentengruppen, bei denen es zwischen den einzelnen Vertretern tatsächlich nur unbedeutende Unterschiede gibt.

Die einzelnen ß-Blocker hingegen unterscheiden sich erheblich:
Atenolol, Metoprolol, Bisoprolol sind geprüft bei Coronarer Herzkrankheit (etwa gleich wirksam).
Bisoprolol, Metoprolol, Nebivolol und Carvedilol bei Herzschwäche (ähnliche Wirkungsgüte, wobei Carvedilol etwas anders wirkt und in manchen Fällen vorzuziehen ist).
Metoprolol hat eine Zulassung zur Dauerbehandlung der Migräne. Es überwindet die Barriere ins Gehirn, anders als Atenolol.
Sotalol hat spezielle rhythmusstabilisierende Wirkungen, es wird wegen besonderer Nebenwirkungen nicht mehr oft gegeben.
Propranolol hat Vorteile in der Behandlung der Schilddrüsenüberfunktion mit ihren Wirkungen auf das Herz.
Nebivolol ist bei manchen Patienten mit chronischen Lungen- und Bronchialerkrankungen vorzuziehen.
Bei Patienten mit Diabetes mellitus oder der Neigung dazu sind Carvedilol und Nebivolol günstiger als z.B. Metoprolol.
Mein ganz persönlicher Feld-, Wald und Wiesen-ß-Blocker ist übrigens Bisoprolol. Er ist für die meisten Indikationen gut geprüft, hat eine lange Wirkdauer und ist kostengünstig.
(04.12.2010)

 
Frage: Ich nehme zur Vermeidung von Embolien Marcumar, weil ich unter Vorhofflimmern leide. Ist ASS (z.B. ASPIRIN) nicht eine gute Alternative?

Antwort:
Nur für sogenannte Niedrig-Risiko-Patienten. Das sind z.B. Patienten (insbesondere Männer), die noch keine Embolien erlitten haben, keine Herzklappenfehler haben, unter 75 Jahre alt sind, kein Hochdruckleiden haben, nicht an Diabetes leiden und keine Herzschwäche aufweisen. Bei solchen Patienten ist das Embolierisiko niedrig und der überlegene Nutzen von Marcumar gegenüber ASS nicht belegt.
Maßgeblich ist der sog. Cha(2)ds(2)Vasc-Score der jetzt überarbeitet wurde und noch differenzierter ist.  Bei 0 oder 1 ist ASS für manche Patienten eine gute Alternative, bei 2 oder höher wenn möglich Marcumar (bzw. evt. künftig Dabigatran oder Rivaroxaban). Dringen Sie darauf, Ihren persönlichen Chads-Score kennen zu lernen.
Faustregel: Pro Punkt im ChadsVasc-Score ist das Schlaganfallrisiko ungefähr 2% pro Jahr und wird durch ASS um 30%, durch Phenprocoumon um 70% reduziert.
Auf jeden Fall wird man (wenn möglich) zur Gabe von Marcumar raten, wenn schon einmal eine Embolie aufgetreten ist, da diese Patienten ein erhöhtes Risiko haben, erneute Embolien zu erleiden.
(03.04.09, Update 14.08. ,28.09.2010, 05.02.2012, 04.09.2012)




Frage: Ich (77 Jahre alt) leide seit vielen Jahren an Bluthochdruck. Jetzt habe ich gelesen, dass  es in meinem Alter günstig sein kann, den Blutdruck nicht auf stets normale Werte abzusenken, sondern z.B. Werte um 150/80 mm HG zu akzeptieren. Stimmt das?

Antwort: Ja. Ähnlich wie beim Diabetes (dort gilt es zu niedrige Blutzuckerwerte zu vermeiden) haben wir lernen müssen, dass zumindest bei manchen Patienten bei an sich "optimaler" Blutdruckeinstellung immer wieder auch sehr niedrige Werte auftreten, und diese scheinen z.B. für das Schlaganfallrisiko nicht günstig zu sein. Die Langzeit-Blutdruckmessung gibt Auskunft, was wirklich geschieht. Ggf. ist eine etwas "weniger scharfe" Einstellung des Blutdrucks günstiger.
(14.08.2010)



Frage: Soll ich zur Cholesterinsenkung Ezetrol nehmen?

Antwort: Ezetrol (Wirkstoff Ezetimib) ist nicht in sogenannten Endpunktstudien (also in seiner Wirkung auf die Wahrscheinlichkeit des Todes, Herzinfarktes oder Schlaganfalles) geprüft.
Es senkt gut die LDL-Cholesterinwerte, aber es ist nicht klar, ob die Patienten davon auch profitieren hinsichtlich Herzinfarktrisiko odcr Überleben.
Es gab einige Untersuchungen zur Veränderung der Dicke der Arterienwand unter Ezetimib-Behandlung, diese brachten kein schlüssiges Ergebnis (ENHANCE; ARBITER 6). In einer Studie  (SEAS) wurde Ezettimib mit vermehrten Krebsfällen in Verbindung gebracht, der Zusammenhang ist aber nach Überprüfung der Daten aus größeren anderen Studien nicht bestätigt (sog. Zufallsbefund).
Meine Meinung: Wenn nötig und möglich zur Cholesterinsenkung immer und zuerst ein Statin, z.B. Simvastatin oder Atorvastatin.  Ezetimib kommt nur in Betracht, wenn die Statine nicht vertragen werden/nicht ausreichen. Ich selber würde es zur Zeit bis zur Klärung nur bei  (trotz Statin) erheblich erhöhten LDL-Cholesterinwerten und hohem Risiko der Gefäßerkrankung nehmen.
Es ist eine große, sehr ambitionierte Studie zu Ezetimib zusätzlich zu einem Statin unterwegs (IMPROVE-IT). Eingeschlossen sind in der Kontrollgruppe solche Patienten, die unter dem Statin allein schon sehr günstige LDL-Choleserinwerte zeigen. Es ist deshalb m. Erachtens zu erwarten, dass in diesem Setting "Ezetimib plus Statin" keinen bedeutsamen Vorteil gegenüber "Statin allein"  bietet.
(10.11.08, updates 06.12.09 und 14.08.2010)





Frage: Wegen Bluthochdrucks nehme ich 10 mg Ramipril täglich ein. Kann es sein, dass dadurch meine Fähigkeit zur Erektion beeinträchtigt wird? Ich habe jedenfalls den Eindruck.

Antwort: Ja, das ist möglich. Einfachstes Vorgehen: Nehmen Sie in Rückspache mit Ihrem Hausarzt statt Ramipril für 4-6 Wochen Amlodipin. Dann werden Sie sehen, ob Ramipril für Ihr Problem verantwortlich ist. Erektionsstörungen können natürlich sehr viele Ursachen haben, es muss sich nicht um eine Ramipril-Nebenwirkung handeln.
(20.06.09)


Frage: Zur Blutdrucksenkung nehme ich einen ß-Blocker, ein bei mir ist keine Herzkrankheit bekannt. Mein Hausarzt sagt nun, er wolle gern auf ein anders wirkendes Präparat wechseln. Warum?

Antwort: Bei Patienten wie Ihnen, also ohne Herzkrankheit, ist ein ß-Blocker zur Blutdrucksenkung nur dann erste Wahl, wenn es zusätzlichc Gründe für die Gabe eines ß-Blockers gibt (z.B. Neigung zu Herzrasen, Migränebeschwerden). Sonst würde ich wie Ihr Hausarzt einen ß-Blocker zur Senkung des Blutdrucks nur nach Ramipril, nach Amlodipin und nach einer niedrig dosierten Wassertablette geben. Der Grund dafür ist, dass die ß-Blocker eine ganze Reihe unerwünschter Wirkungen haben (Diabetes wird von manchen begünstigt; Blutfette verändern sich in unerwünschter Weise; körperliches Ausdauertraining wird erschwert; es kann zur Impotenz kommen; Alpträume).   
(12.06.09)


Frage: Ist es richtig, dass zur Blutdrucksenkung als zweites Medikament neben Ramipril jetzt nicht mehr eine milde Wassertablette, sondern bevorzugt Amlodipin (ein sogenannter Kalziumantagonist) gegeben wird?

Antwort: Ja. Bisher gab man als sogenannte Zweierkombination als zweites Medikament meist eine milde Wassertablette. Jetzt hat sich gezeigt (in der ACCOMPLISH-Studie), dass die Kombination Ramipril (oder Lisinopril) plus Amlodipin  (hoch dosiert mit 10 mg) überlegen ist. Erst als dritter Kombinationspartner gibt man dann eine milde Wassertablette, meist HCT 12,5 bis 25 mg. 
Aber Achtung: Amlodipin hat in höherer Dosierung (10 mg) nicht  selten die unangenehme Nebenwirkung der Beinschwellung. Die Verträglichkieit entscheidet deshalb letztlich darüber, ob die höhere Dosis "geht", sonst muss man bei 5 oder gar 2,5 mg/Tag bleiben und evt. mit HCT als drittem Patner kombinieren .
(15.02.09, Update 14.08.2010)


Frage:
Mein Hausarzt sagt, das Medikament Ramipril sei  genauso gut wie das von mir bisher eingenommene Telmisartan (Handelsnamen KINZAL, MICARDIS). Kann ich bedenkenlos wechseln?

Antwort: Die Sartane, zu denen neben Telmisartan  auch Olmesartan, Candesartan, Irbesartan, Valsartan, Losartan gehören, wirken ähnlich wie Ramipril, man hatte sich aber einen Vorteil erhofft, weil sie gezielter wirken.
Diese Erwartung hat sich nicht erfüllt. In einer sehr großen Studie  (Name: ONTARGET)  waren die Effekte auf Sterblichkeit, Schlaganfall und Herzinfarkt gleich. Ramipril ist deshalb weiter erste Wahl. Nur wenn unter Ramipril die Nebenwirkung Reizhusten auftritt ist ein Wechsel zu einem Sartan gerechtfertigt.
(15.02.09)


Frage:
Bedeutet der neue Cholesterinsenker Rosuvastatin (Handelsname CRESTOR) einen bedeutsamen Fortschritt?

Antwort: Nur für diejenigen Patienten, die mit dem Standard-Statin Simvastatin (auch Rosuvastatin/Crestor ist ein Medikament aus der großen Familie der Statine) keine ausreichende Cholesterinsenkung erzielen.
Crestor senkt das LDL-Cholesterin sehr gut, ist hier am ehesten mit  dem Statin Atorvastatin  (Handelname SORTIS) vergleichbar.
Crestor ist wie auch Sortis für diejenigen Patienten eine gute Alternative, die bisher eine Kombination aus Simvastatin und Ezetimib (Ezetrol) einnehmen, weil sie mit Simvastatin alleine keine ausreichende LDL-Senkung erzielen.
Bezüglich Ezetrol bitte auch oben (20.11.09) lesen.
(15.02.09)


Frage: Ich bekam unter Ramipril Husten. Gibt es eine gute Alternative?

Antwort: Ramipril ist ein ausgezeichnetes Medikament aus der Gruppe der ACE-Hemmer. Der Husten ist dabei eine recht seltene (4%), aber typische Nebenwirkung.
Alternative: Ein AT1-Antagonist, z.B. Temisartan (Kinzal), Olmesartan (Olmetec) oder Candesartan (Atacand). Wirken sehr ähnlich wie Ramipril, machen aber seltener Husten (1%). Die ersten Sartane sind jetzt aus dem Patentschutz gefallen, der Preis sinkt.
(20.06.08, Update 18.05.2011)



Frage: Darf ich nach einem Herzinfarkt Viagra, Levitra oder Cialis nehmen?

Antwort: Ja.
Es gibt jedoch zwei Einschränkungen: Zum einen vertragen sich diese Medikamente nicht mit allen Herzmedikamenten, besonders Nitrate sind problematisch.
Zum zweiten kommt es auf Ihre beschwerdefreie Belastbarkeit und die Leistung Ihres Herzmuskels  an. Deshalb würde ich auf jeden Fall in Ihrer Situation eine Herzuntersuchung einschließlich Belastung anstreben, bevor Sie diese Medikamente einnehmen.
Ein grundsätzliches Verbot dieser Medikamente für Infarktpatienten gibt es nicht. Es gibt ja für Infarktpatienten auch kein grundsätzliches Verbot sexueller Aktivität.
(25.05.08)



Frage:
Warum bekomme ich in der Behandlung meines Bluthochdrucks eine wassertreibende Tablette, obwohl ich gar keine Wasseransammlungen im Körper habe?

Antwort: In Ihrem Falle wahrscheinlich nur zur Blutdrucksenkung. Wassertreibende Medikamente (so genannte Diuretica) sind sehr gute und meist gut verträgliche Blutdrucksenker, die sich gut mit anderen Blutdrucksenkern kombinieren lassen.
(13.05.08)



Frage:
Ich nehme Metoprolol (-Sukzinat) und nun wurde bei mir ein leichtgradiger Diabetes festgestellt. Stimmt es, dass Metoprolol einen Diabetes begünstigen kann?


Antwort: Ja, leider.
Ein ß-Blocker ohne ungünstige Wirkungen auf den Diabetes ist z.B. Carvedilol (CHARME-Studie). Es hat den Nachteil, dass es zweimal pro Tag genommen werden muss. Außerdem besitzt es nicht die gleichen Zulassungen wie Metoprolol, weil Metoprolol sehr viel besser untersucht ist als Carvedilol, etwa bei Patienten nach einem Herzinfarkt.

Auch der ß-Blocker Nebivolol ist bezüglich des Diabetes günstiger als Metoprolol.
(09.05.08)




Frage: Ich nehme Metoprololsukzinat und habe Albträume. Gibt es eine Alternative?

Antwort: Metoprolol ist ein  ß-Blocker, der die Schranke ins Gehirn überwindet und deshalb die von Ihnen beschriebene Nebenwirkung haben kann.
Eine Alternative ist Atenolol, ein ß-Blocker, der die Schranke ins Gehirn nicht überwindet.
(08.05.08) 



Frage:
  Ich bekam Simvastatin, litt darunter aber unter Muskelschmerzen. Deshalb wurde es jetzt abgesetzt. Gibt es eine gute Alternative ?

Antwort: Leider ist das eine nicht häufige, aber typische Nebenwirkung der Statine, zu denen auch Simvastatin gehört.
Ihr behandelnder Arzt kann im Labor feststellen, ob diese Nebenwirkung in Ihrem Falle gefährlich ist; er bestimmt dazu die  CPK. Sie zeigt an, ob Ihr Muskelgewebe von Simvastatin direkt geschädigt wird. Die Muskelschmerzen für sich alleine genommen ohne CK-Erhöhung sind lästig, aber nicht gefährlich.

Eine gute Alternative zu den Statinen gibt es leider nicht. Die Statine sind die am besten untersuchten Cholesterinsenker und von hohem Wert bei Menschen mit erhöhten Cholesterinwerten,  die  z.B. einen Herzinfarkt erlitten haben oder Diabetiker sind.
Wenn Sie weiter ein Statin nehmen wollen, obwohl Sie unter Simvastatin Muskelschmerzen bekamen, so  kommen andere Statine  infrage, die anders abgebaut werden, z.B. Pravastatin. Am  besten in zunächst ganz niedriger Dosis.
Das muss aber natürlich in sogfältiger Abwägung von Ihrem behandelnden Arzt vorgenommen  werden.
(08.05.08)


Frage
: Mein Heilpraktiker hat mir gesagt, Marcumar (Wirkstoff Phenprocoumon) sei Rattengift. Stimmt das?


Antwort: Ja, man kann mit Marcumar Ratten und auch Menschen umbringen.
Deshalb muss bei Patienten, die Marcumar nehmen, die Blutgerinnung regelmäßig kontrolliert werden, damit die Blutungsneigung nicht zu sehr zunimmt.

Trotz dieser Gefährlichkeit ist Marcumar ein sehr wertvolles Medikament, welches z.B. viele Menschen vor Embolien bewahrt. 
(05.05.08)



Frage: Ich bekomme neuerdings immer wieder andere Medikamente, mein Hausarzt hat gesagt, der Wirkstof sei der gleiche, nur Firma und Preis seine unterschiedlich. Stimmt das?

Antwort: Ja, es liegt an den sogenannten Rabattverträgen der Krankenkassen. Es gibt jeweils viele verschiedene Medikamente mit dem gleichen Wirkstoff. Die Kassen zahlen dann ohne Zuzahlung nur eine bestimmte Marke mit diesem Wirkstoff.
Das ist ähnlich, wie Sie an der Tankstelle zwar den gleichen Sprit, aber von verschiedenen Firmen tanken können. Einen Nachteil in der Wirkung bedeutet das für Sie nicht.
(05.05.08)



Kurz das Wesentliche   |  Die kardiologische Praxis   |  Persönliches-Leitbild   |  Fachinformationen   |  Kontaktieren Sie mich
Danke für Ihren Besuch.